Unsere Marken:

Für Abonnenten ist das Digitalabo zum Sonderpreis von 15 Euro im Jahr erhältlich

Für Abonnenten der Print-Ausgabe ist das Digitalabo für nur 15 Euro im Jahr erhältlich

Schlesisches Tagebuch von Alfred Theisen

2016 war in vielerlei Hinsicht ein gutes Jahr für Schlesien. Die Wirtschaft zog weiter an und man kann sich das Elend und die Armut der Region und ganz Polens vor 20 Jahren, als noch kein Datum für den EU-Beitritt in Sicht war, kaum mehr vorstellen. Riesige aufblühende Gewerbegebiete, eine wieder florierende Landwirtschaft, schicke Flughäfen in Breslau und Kattowitz, neue Autobahnen und Siedlungen kennzeichnen das Land, auch wenn manche Gegenden von diesem unglaublichen Aufschwung noch nicht erfasst wurden. Die Bahnstrecken sind besser ausgebaut als auf der deutschen Seite, wo die Verkehrspolitiker in Brüssel und Berlin dem Osten Deutschlands die kalte Schulter gezeigt haben (siehe "Schlesien heute" Nr. 1/2017, Seite 24). Schlesien mit seiner schönen Landschaft, seiner Hochkultur, seinen vielen Schlössern, barocken Perlen und vielen weiteren Attraktionen hat endgültig die Tabuisierung der vergangenen Jahrzehnte durchbrochen und ist wieder zu einem beliebten Reiseziel der Deutschen geworden.

Allein Breslau als Kulturhauptstadt Europas zog in diesem Jahr Millionen Deutsche an. Doch auch das Riesengebirge oder Görlitz melden Rekordbesuche. Der von den Kommunalpolitikern in Görlitz lange vernachlässigte Tourismus ist zum wichtigsten Wirtschaftszweig der schönen alten schlesischen Stadt an der Neiße geworden. Auch der jedes Jahr stärker werdende Schlesische Christkindelmarkt zieht wieder deutschlandweit Besucher an. Wenn die Zauderer im Stadtrat nur endlich der Stadthalle als starkes deutsch-polnisches Herz der Europastadt Görlitz/Zgorzelec eine klare Perspektive geben würden, dann könnten auch in den wenigen dunklen Monaten von Januar bis April die Gästezahlen in die Höhe geschraubt werden. In Breslau hat man mit dem mutigen Bau der Jahrhunderthalle vor hundert Jahren und mit den aktuellen großen Investitionen und Plänen (siehe "Schlesien heute" Nr. 1/2017, Seite 7) beispielhaft den Weg gewiesen.

In Deutschland florieren die schlesischen Museen in Ratingen, Königswinter und natürlich im Flaggschiff in Görlitz, insbesondere dank stetiger und teilweise gestiegener Landes- und Bundesförderungen. In jeder Ausgabe können wir ausführlich über die hervorragende, völkerverbindende Arbeit dieser Einrichtungen berichten. Die Kopisch-Schau in Berlin, die Gustav-Freytag-Ausstellung in Gotha, die Ludwig-Meidner-Präsentation in Hofheim im Taunus, die „Parkomanie“ auf der Bundeskunsthalle in Bonn sind 2016 weitere Höhepunkte, über die wir in den vergangenen Monaten berichten konnten und die zeigen, wie stark Schlesien wieder in Deutschland wahrgenommen und gewürdigt wird. In dieser Ausgabe können wir nochmals auf die hochkarätige Lenné-Schau und den dazu erschienenen, exzellenten Katalog verweisen, der ausführlich und ansprechend über den Einsatz dieses bedeutenden Gartenkünstlers im Hirschberger Tal, in Breslau und andernorts in Schlesien informiert (Seite 18). Selbst an der Spitze unseres Staates wird in Zukunft stärker schlesisches Herzblut fließen, denn der kommende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist aus schlesischer Wurzel (Seite 30).

Man sagt, 1905 waren die beiden reichsten Familien in Deutschland Thyssen in Essen und Henckel von Donnersmarck in Oberschlesien, wobei das Revier im Osten damals größer und prosperierender war als das an der Ruhr. In dieser Ausgabe stellt Professor Wilhelm Gorecki den oberschlesischen Magnaten Fürst Guido Henckel von Donnersmarck vor, der vor 100 Jahren starb (Seite 50).

Im kommenden Jahr wird Schlesien in besonderer Weise seiner Landespatronin Sankt Hedwig gedenken, die vor 750 Jahren heilig gesprochen wurde (Seite 14). Sie wird Konfessionen übergreifend von Deutschen und Polen gleichermaßen verehrt. Ihr Vorbild für das Mit- und Füreinander von Deutschen und Polen ist besonders aktuell anlässlich der Renaissance nationalistischer Strömungen in unseren beiden Völkern. Denn einen großen Schatten auf die deutsch-polnischen Beziehungen wirft derzeit die Willkür der Kaczynski-Regierung gegenüber der deutschen Minderheit im Oppelner Land. Deutsche und Polen brauchen in dieser verrückten Zeit mehr denn je einander und nicht den Keim neuer Zwietracht, wie er jetzt in Oppeln gesät wurde (Seite 7). Da hier offensichtlich europäisches Minderheitenrecht verletzt wurde, bestehen noch Chancen auf ein Einlenken. Wir werden weiter berichten. Die Offenheit füreinander, die gemeinsamen Werte und das gegenseitige Wohlwollen waren bislang die stärksten Trümpfe für die jüngste Ära deutsch-polnischer Völkerfreundschaft und das Wirtschaftswunder im Nachbarland und dabei sollte es auch bleiben!

Nach der Navigation